„Sonntagsschuss“ zum 0:1 - Kickers kassiert erste Niederlage

St. Pauli-Kapitän Ulbricht traf aus 70 Metern / BSV-Coach Emmerling: „Wollen so eine Halbzeit nicht mehr sehen“

Die Fans von Kickers Emden bewiesen nach dem Abpfiff ein gutes Gespür für die Situation. Die Anhänger des Regionalliga-Aufsteigers feierten ihr Team mit Applaus und Sprechchören - obwohl die Emder gegen den FC St. Pauli II die erste Saisonniederlage hinnehmen mussten. Bis in die achte Minute der Nachspielzeit hinein hatten die Ostfriesen alles versucht, den 0:1-Rückstand vor 3700 Zuschauern im Ostfriesland-Stadion noch auszugleichen - vergeblich. So kassierten die Emder die erste Heimpleite seit dem 27. Mai 2023. In der Abstiegssaison aus der Regionalliga unterlagen die Ostfriesen am letzten Spieltag Schwarz-Weiß Reeden mit 1:5.

„Es war klar, dass wir irgendwann ein Heimspiel verlieren werden - heute war es leider so weit“, sagte Trainer Stefan Emmerling. „Verantwortlich dafür war unser Spiel in der ersten Halbzeit“, kritisierte er. „Wir sind von unserer Art, Fußball zu spielen, abgerückt - das wollen wir so in Zukunft nicht mehr sehen.“

„Verantwortlich für die Niederlage war unser Spiel in der ersten Halbzeit“, sagte Kickers-Trainer Stefan Emmerling. Foto: Jens Doden

Als „Krönung unseres Auftrittes vor der Pause“ bezeichnete Emmerling die Entstehung des entscheidenden Gegentores. Pauli-Kapitän Julian Ulbricht traf mit einem Schuss aus knapp 70 Metern. „Das darf so nie passieren, schließlich waren wir in Ballbesitz.“ Nach einer zunächst abgewehrten Ecke spielte Kai Kaissis die Kugel auf die linke Seite zu Tobias Steffen. Der Emder Regisseur verlor sie im Zweikampf mit Julian Ulbricht, der schnell schaltete und weit in der eigenen Hälfte einfach mal abzog. Die Aktion überraschte auch den weit aufgerückten Kickers-Keeper Marcel Bergmann. Er sprintete zwar noch in Richtung Kasten, doch der Ball kullerte zum 0:1 über die Linie (45.+1).

„Das war ein absoluter Sonntagsschuss“, sagte Bergmann. Der Schlussmann stand - wie gewohnt bei Emder Standardsituationen - zwischen dem eigenen Strafraum und der Mittellinie. „Das ist mein Spiel“, so Bergmann, der eine Minute vor dem 0:1 mit weiten Pass aus ähnlicher Position eine Großchance von David Schiller eingeleitet hatte (45.). „Den Ball trifft er nur einmal im Leben so.“ Auch Stefan Emmerling machte seinem Torhüter keinen Vorwurf. „Wir wollen einen mitspielenden Keeper, der die letzte Reihe absichert“, sagte der Trainer. „Marcel macht einen guten Job, ihm kann man das Gegentor nicht ankreiden.“

Ein Tor von David Schiller wurde nicht anerkennt. Foto: Jens Doden

Der Treffer der Marke „Tor des Monats“ war ebenso außergewöhnlich wie umstritten. „Für mich war es ein Foul, weil ich den Ball vor meinem Fuß hatte und getroffen wurde“, sagte Steffen zum Zweikampf mit Ulbricht. „Leider hat es der Schiedsrichter anders bewertet.“ Eine andere Sichtweise hatte Niklas Olle (Wolfenbüttel) auch kurz nach dem Seitenwechsel: Nach einem Steffen-Freistoß lenkte Schiller den Ball zum 1:1 in die Maschen - doch der Ausgleich wurde wegen einer vermeintlichen Abseitsposition von Schiller nicht anerkannt (51.). „Eine fragliche Entscheidung“, fand Emmerling.

Mit dem Gesicht, das seine Mannschaft nach der Pause gezeigt hatte, war der Coach zufrieden. „Wir haben den Powerfußball gespielt, der uns über Monate ausgezeichnet hat“, sagte Emmerling. Kickers kam mit Wucht aus der Kabine, drängte auf den Ausgleich - und auch die Unterstützung der Zuschauer war deutlich zu spüren. „Das Stadion war voll da, wir hatten und Chancen und hätten ein Tor verdient gehabt. Aber heute hat uns auch das Spielglück gefehlt.“

Auch Kapitän Tido Steffens hatte Pech im Abschluss. Foto: Jens Doden

Pauli-Torhüter Kevin Jendrzej und seine Vorderleute rückten mehr und mehr in den Fokus. Der Schlussmann parierte einen Schuss von Schiller (46.) und war nach einem Einwurf eher am Ball als Tido Steffens (47.). Die Abwehrspieler der Kiezkicker warfen sich immer wieder in Emder Abschlüsse, köpften Flanken aus der Gefahrenzone. Die besten Gelegenheiten vergaben Mika Eickhoff (76., Schuss abgefälscht), Steffens (79., Schuss geblockt), Joshua Dudock (86.,Kopfball über das Tor) und Martin Schmidt (90.+4, Jendrzej lenkt den Ball an den Außenpfosten).

Nachdem auch ein Kopfball von Schmidt abgefälscht wurde und Dudock den Ball nach der anschließenden Ecke nicht richtig traf, war die erste Saisonniederlage der Ostfriesen nach knapp 98 Minuten Spielzeit besiegelt. „Es fühlt sich gerade richtig beschissen an“, sagte Marcel Bergmann, ehe er auf das Nachholspiel bei Phönix Lübeck vorausblickte. „Wir müssen am Dienstag von Beginn an ganz anders auftreten, dann werden wir auch wieder gewinnen.“